Bericht Generalanzeiger Bonn vom 18. Januar 2020 |
Ausschnitte aus der Ausstellungseröffnungsrede „KraftLinien- FormenKraft“ am 15.01.2020 von Dr. Nicole Birnfeld
Zwei Künstlerinnen, die von unterschiedlichen Disziplinen ihren Ausgangspunkt nehmen, treffen hier im Haus der Redoute aufeinander... (…..) Bei den hier ausgestellten Arbeiten von Charlotte Schwarz-Sierp handelt es sich keineswegs um reine Malerei oder um reine Zeichnung, es ist ein Geflecht, eine Verbindung von verschiedenen Techniken, die sie in einer Collage vereint. Damit wird auch die Materialvielfalt angesprochen, es können bedruckte Folien, Transparentpapier auf den Bildträger integriert werden. Das auf den ersten Blick vollständige Bild setzt sich bei näherer Betrachtung aus verschiedenen Ebenen, Lagen und Schichten zusammen. Mit Farbe, Kohle oder Graphit wird eine vermeintlich plane Fläche zu einem Relief und scheint zuweilen nur mit Hilfe der Rahmung im Zaum gehalten werden. Nähert man sich den Arbeiten, dann wird die Fläche zu einem skulpturalen Gebilde, das Ausbuchtungen und Erhebungen aufweist. Schwarz-Sierp nutzt bei den jüngsten entstandenen Arbeiten die Zufügung von Gold. (….) Es ist zum einen das reale Licht, das auf einer Wasseroberfläche zu glitzern scheint und darüber hinaus wird es zu einer geistigen Energie, die sich in der Natur entfalten kann. Es wird zu etwas Mystischem, Ursprünglichen Geheimnisvollen, das nicht mehr mit einer rationalen Erklärbarkeit einhergehen muss. (….) Als ich die Palmenbilder betrachtete, kam es mir fast so vor, als stehe ich mittendrin in einer sturmdurchpeitschten Natur, der Regen fällt unablässig vom Himmel, es rauscht, es plätschert und man fühlt die Naturgewalten. Die roten zackigen nervös fahrenden Linien, die ausgewählte Arbeiten dieser Serie durchziehen, assoziieren den Ausschlag des Seismographen, der die Erschütterung des Bebens aufzeichnet, unaufhaltsam und erinnert, wie brüchig das Paradies werden kann, wenn die Natur sich darüber erhebt. (….) Neben dem Wasserthema finden wir noch eine weitere Serie, die die Künstlerin als „Gestrüpp-, Kakteen- und Waldbilder“ betitelt. (.…) Sie finden einmal die gezeichnete Linie, aber auch die Linie oder die Kontur, die durch die ausgeschnittene Form zustande kommt. Neben die Stelle des gezeichneten Kakteenblattes tritt eine leere Form, eine Leerstelle, die aus ausgeschnittenem Transparentpapier entsteht. Aus den Leerstellen können durch Überschneidung neue Strukturen des Gewächses entstehen, die die Linie vorgibt. Die Arbeiten von Charlotte Schwarz-Sierp ziehen sich wie ein Fries durch die Räumlichkeiten, wobei die plastischen Werke von Stefanie Lange bisher Beobachtetes geschickt miteinander vereinen. Das wirkt so homogen und fließend, dass man nicht umhin kommt zu fragen, ob die beiden regelrechte Duoarbeiten angefertigt haben. War eben von der Linie die Rede, so bestimmt jetzt die Form, die Dreidimensionalität das Raumgefüge. Grundsätzlich können wir zwei große Werkkomplexe unterscheiden: das sind einmal die Keramiken und Bronzen, die aber wiederum zu unterscheiden sind. Stefanie Lange ist fasziniert von dem Material Ton und zeigt im wahrsten Sinne des Wortes, was in diesem steckt. (….) Es entstehen Keramiken, die das Spiel von Abstraktion und Gegenständlichkeit aufnehmen. Es geht um Verhältnisse, Volumina, Durchdringungen, Verbindungen, Parallelitäten. (….) Neben viel Kalkül, muss dennoch dem Zufall Raum gegeben werden, damit geht ein Loslassen oder ein Abgeben einher, denn durch den Brennvorgang können die geformten Teile auch minimal ihr Volumen verändern. Risse, Strukturen und Liniengerüste sind auf den Oberflächen entstanden (….). Die Außenhaut enthält zudem eine reiche Farbpalette, die die poröse Oberfläche eindringlich charakterisiert. Hier mag man zuweilen an Erdkrusten erinnert werden. Eben hörte ich noch den Regen, jetzt sehe ich eine brodelnde Ursuppe, die Neues entstehen lässt. Innerhalb des Werkkomplexes lassen sich auch vermehrt Arbeiten finden, die aus zwei Teilen bestehen und Titel wie „Dialog“ oder „Interaktion“ aufweisen. (….) Die Teile finden zueinander, stoßen sich ab und finden rein der Form nach immer wieder neue Beziehungsmuster. (….) Darüber hinaus gibt es auch konkretere Figurationen, die in Bronze gegossen werden. Eine beeindruckende Konstellation findet sich in dem Raum, in dem die Meeresbilder von Schwarz-Sierp versammelt sind. Mittendrin steht ganz allein ein weiblicher Akt von Stefanie Lange: Der Mensch und das Meer oder eine moderne Venus, die aus dem nicht immer idyllischen Schaum geboren worden ist, eine Frau, von der aber in jedem Fall durch ihre Körperhaltung allein eine immense Kraft auszugehen scheint. (….) Zuletzt hat Stefanie Lange auch Bronzen geschaffen, die zwar mit dem Titel „Torso“ verführen, die menschliche Gestalt darin zu erkennen. Aber nach eingehender Betrachtung löst sich das gänzlich auf, es sind organische Formen, die den unwiederbringlichen Lauf der Natur beschreibt: es entsteht, es wächst, es formt und es vergeht wieder, ein unendlicher Kreis des Lebens. Betrachtet man sich einen Torso im Zusammenhang der Kakteenbilder von Schwarz Sierp entdeckt man überraschende Zusammenhänge: Meinte man eben ein Stück Körper zu erkennen, so sieht man auf einmal doch eher ein Teil eines Kakteenblattes. Linien und Formen ... Zeichnung und Plastik ... wenn man den antiken Mythen Glauben schenken darf, so ist das eine aus dem anderen entstanden. (….) |
(c) bei Stefanie Lange, 2020